
Wenn ich als Kind im Auto meines Vaters saß und wir im Sommer eine Tankstelle ansteuerten, hat ein Tankwart die Dauer des Benzineinlaufs genützt, um die Windschutzscheibe von den zahlreich darauf geklatschten Insekten zu reinigen. Blieb noch Zeit, hat der Blaumann sogar im Winter routiniert den Ölstand geprüft und auf Wunsch natürlich auch den Reifendruck. Fehlte was, wurde nachgepumpt. Kostenlos, versteht sich, wenngleich ein kleines Trinkgeld erwartet und meist auch gegeben wurde.
Tankwarts gehören schon lange der Vergangenheit an. Und das liegt wahrscheinlich nicht daran, dass es kaum noch Insekten gibt, die es in der warmen Jahreszeit zuhauf von der Windschutzscheibe abzukratzen gilt. Auch nicht daran, dass man Menschen keiner krebsfördernden Benzoldauerexposition mehr aussetzen mochte. Vielmehr wollten sich die ihrerseits von den Mineralölkonzernen ausgequetschten Tankstellenpächter das Geld für nicht unbedingt notwendiges Servicepersonal sparen.
Immerhin gehören Geräte zum Prüfen und Nachfüllen der Luft ebenso wie Wasserkannen zum Auffüllen des Kühlers oder der Scheibenwaschanlage nach wie vor zur selbstverständlich kostenlos verfügbaren Selbstbedienungs-Serviceausstattung jeder Tankstelle. Dachte ich zumindest bis heute Morgen.
Als ich da an meiner Tanke, wie immer viel zu selten, wieder mal den Reifendruck prüfen und verlorene Luft nachfüllen wollte, fehlte an gewohnter Stelle die hierzu erforderliche Vorrichtung. Dafür stand da ein eckiger Automat mit digitalem Display, der zwar kostenloses Reifendruckmessen versprach. Im Falle eines Luftdefizits bedurfte es jedoch eines Euros, damit das mit der Messsonde verbundene Ventil Druckluft freigab. Es war mir nicht ganz ersichtlich, ob der eine Euro dann für alle vier Reifen genügte oder nur für einen. Ich habe es nicht ausprobiert sondern die Tankstelle ohne Luft und Benzin verlassen, um mir beides woanders zu besorgen. Werde diese Shell-Station auch nicht mehr anfahren. Ich hoffe, es wird genug Tankstellen geben, die erkennen, dass kostenlose Luft ein Wettbewerbsvorteil ist, der nicht nur dem Kunden was nützt und der vielleicht sogar Auswirkungen auf die Unfallstatistik hat. Ein zu geringer Reifendruck lässt das Auto „schwimmen“, beeinflusst den Bremsweg, beschleunigt den Reifenverschleiß bis hin zum akuten Platzer und erhöht den Benzinverbrauch. Man sollte den eigenen Reifendruck also stets genauso im Auge haben wie den eigenen Blutdruck.
Die Luft zum Atmen ist nach wie vor frei. Und es ist zu hoffen, dass das so bleibt. Ganz selbstverständlich ist das unter dieser und wahrscheinlich auch künftigen Regierungen nicht mehr. Zumindest beim Trinkwasser sind ja bereits Lobby-Bestrebungen im Gange, dessen Verteilung profitorientierten Privatunternehmen zu überlassen. Die Tatsache, dass etwa in Deutschland jeder Trinkwasser zum Spottpreis in Premiumqualität, die mindestens so hoch oder gar höher als die von in Flaschen abgepacktem hochpreisigem Mineralwasser ist, aus dem häuslichen Wasserhahn abzapfen kann, ist Abzockunternehmen und ihnen ergebenen leyenhaften Politikern ein Dorn im Augen.
Haben private Wasserversorgungskonzerne erst mal den Fuß in der Tür, ist es lediglich noch ein kleiner Schritt, bis Trinkwasser nicht nur schlechter sondern zugleich teurer wird. Schließlich müssen sich für die Unternehmen die zusätzlichen Leitungen, die sie für Wasser unterschiedlicher Qualität gelegt haben, amortisieren. Unter dem grünen Deckmantel des Umweltschutzes und Ressourcensparens wird Wasser in heutiger hochalpiner Quellwasserqualität dann nur noch dem zustehen, der bereit ist, einen „marktgerecht“ hohen Preis dafür zu zahlen. Wer weniger ausgeben will, muss mit schmeckbar wiederaufbereitetem Abwasser Vorlieb nehmen. Für einen ungechlorten Trinkgenuss kann man sich ja Flaschenwasser – womöglich vom gleichen Wasserkonzern – im Supermarkt kaufen. Nestlé & Co. bekomm’s.

Nicht jeder BMW-Fahrer ist einer, der mit A anfängt und mit och aufhört. Aber zumindest meine schon mal zitierte Erfahrungsstatistik legt nahe, dass man unter 100 BMW-Fahrern mehr solche findet als unter 100, sagen wir mal, Fordfahrern. Wenn man mit zügiger Geschwindigkeit auf der Autobahn im Überholvorgang begriffen ist und von hinten schießt ein lichthupendes Kfz heran, dessen Fahrer den eigenen Überholvorgang weit wichtiger einzuschätzen scheint als den der anderen, handelt es sich dabei überzufällig oft um das Markenfabrikat aus München. Na gut. Audi aus ebenfalls bayerischem Stammwerk schließt auf, während der statistische Durchschnitt von nicht minder PS-starken Mercedes- oder selbst Porsche-Fahrern weit mehr Geduld und weniger Lichthupe zeigt.
Zugegeben. Ich hab leicht reden. Bin selbst noch nie einen BMW gefahren. Womöglich würde ich hinter dem Steuer eines solchen Egoshooters ebenfalls zum Drängler mutieren. Ich hoffe nicht. Doch womöglich kann eine Automarke den Charakter ebenso verderben wie ein Amt den Politiker oder die Politikerin. Die bemerkenswerte Entwicklung der Grünen von der Speerspitze der oppositionellen Friedensbewegung zum regierungsverantwortlichen Befürworter deutscher Waffenlieferungen in Kriegsgebiete lässt Schlimmes ahnen. Vielleicht sollte man Baerbock mal testweise ans Steuer eines BMWs lassen und schauen, wie lange es dauert, bis sie sich um 360 Grad vom 100 km/h fahrenden belehrenden Hindernis auf der Überholspur zur 230 km/h rasenden, lichthupenden und rechts überholenden Dränglerin wendet.
Irgendwann die letzten Wochen habe ich auf Twitter das Foto einer grimmig dreinschauenden Annalena gesehen. Nicht beim BMW-Fahren sondern beim Joggen. Mag sein, dass der Fotograf einen schlechten Augenblick erwischt hat. Oder sie hat sich über ihren jüngsten Versprecher geärgert. Kann aber auch sein, dass unsere Außenministerin zur Kaste der grimmig Joggenden gehört, wie sie mir auf meinen eigenen Laufrunden überzufällig oft begegnen. Statt sich zu freuen und freundlich zurückzugrüßen, wenn man auf einsamen Waldwegen einen Gesinnungsgenossen trifft, wird ohne eine Miene zu verziehen mit sturem Blick geradeaus an einem vorbei getrabt. Ist das Laufen so anstrengend, dass für ein freundliches Hallogesicht keine Energie mehr bleibt? Hält man sich für was Fitteres und den anderen deshalb eines kleinen Grußes für unwürdig? Oder glaubt man speziell als Frau, ein solcher könnte den alten Gegenjogger auf dumme Gedanken bringen – so allein, mitten im Wald? Stimmt. Aber andersrum. Es ist eher das Mürrische, das mich auf dumme Gedanken gebracht hat. Sie haben sie soeben gelesen.

Ich weiß nicht mehr genau, wann es war. Jedenfalls ein erster Werktag nach den Weihnachtsfeiertagen 2013 oder 2014. Da habe ich eine etwa 40 Zentimeter große Koreatanne, die vor den Feiertagen als lebender weil noch bewurzelter Christbaum ca 50 Euro gekostet hätte, für knapp ein Zehntel des Preises erstanden und vor der Biotonne gerettet. Ich habe sie in meinen Garten gepflanzt und wollte jeweils kurz vor Weihnachten ein Foto von ihr machen, um mit ihrer prächtig wachsenden Veränderung meinen alljährlichen Weihnachtsgruß auf dieser Seite zu bebildern.
Ein paar Jahre habe ich die Idee durchgehalten, aber die Koreatanne verfünffachte zwar inzwischen ihre Höhe, doch schön anzuschauen war sie schon bald nicht mehr. Ob Wühlmäuse zu sehr an ihren Wurzeln knabberten oder was sonst ihre Entfaltung störte und stört. Ich weiß es nicht.
Als ich heuer meine Frau fragte, was sie sich von mir zu Weihnachten wünsche, meinte sie, die Koreatanne, zersägt in ofengerechte Stücke. Diesem Wunsch meiner Gattin werde ich nicht nachkommen. Da käme ich mir ja vor wie Herodes, der Salome den Kopf des Johannes darbrachte.
Die Koreatanne wird weiterhin die Chance haben, in meinem, unserem Garten doch noch zu gedeihen. Ob sie sie wahrnimmt, bezweifle ich. Aber zumindest entschädigt sie mich jeden Sommer mit ihrem harzigen Wohlgeruch, der mich an so manchen Urlaub in Nadelhainen des Südens erinnert.
Da man aber Gerüche digital noch nicht verbreiten kann, haben Sie als Leser von dieser Qualität nichts und der pure Anblick allein ist es tatsächlich nicht wert, ihn zu teilen.
Ich wünsche allen, die sich auf diese Seite verirren, besinnliche Feiertage, eine erholsame Zeit zwischen den Jahren und viel Glück für 2023. Wir werden es brauchen.

Sofern die Laborthese nicht doch noch gewinnt, ist das neue Pandemie-Virus SARS-CoV aus dem Tierreich auf den Menschen übergesprungen. Inzwischen sind auch Retouren bekannt. Anlass zu zusätzlichen Sorgen?

Die Frage liegt nicht zuletzt wohl auch vielen Katzen- und Hundehaltern auf dem Herzen. Kann sich mein geliebtes Haustier mit dem neuen Virus infizieren? Droht es in der Folge richtig krank zu werden oder gar daran zu versterben? Und kommt es umgekehrt auch wieder als Ansteckungsquelle von Menschen infrage? Die Wissenschaft kann bereits eine Reihe von Antworten bieten und die meisten sind eher beruhigend. Möglich, dass es anders aussähe, wenn sich Karl Lauterbach bereits auch dieses Themas angenommen hätte. Aber wir wollen hier sachlich bleiben und nicht polemisieren.
Die schlechte Nachricht zuerst
Forschende haben inzwischen bei einer Reihe von Säugetierarten nachgewiesen, dass sie unter experimentellen Versuchsbedingungen oder auch spontan mit dem uns aktuell heimsuchenden Virus SARS-CoV-2 infiziert werden können. Und diese Reihe ist sicher noch nicht abgeschlossen. Experimentell heißt hier, dass Versuchstiere beispielsweise gezielt virenhaltigen Aerosolen ausgesetzt werden. Spontan heißt, dass sich Tiere in ihrer gewohnten Umgebung bei einem infizierten Menschen, einem infizierten Artgenossen oder einem infizierten Tier einer anderen Art angesteckt haben.
Zu den prinzipiell empfänglichen Tieren, die man heute schon aus sporadischen Fallschilderungen sowie aus gezielten Ansteckungsexperimenten kennt, zählen verschiedene Zootiere wie Raubkatzen, Menschen- und Tieraffen, Hamster, Frettchen, Farm-Nerze, Marderhunde, einige wild lebende Säugetiere und eben auch Hunde sowie Hauskatzen. Die Wahrscheinlichkeit, mit der sich diese beiden beliebten Stubenraubtiere mit dem menschlichen Krankheitserreger anstecken, ist womöglich größer als ursprünglich gedacht.
Machen Sie mit?
Wie das Tierärzteportal VetLine berichtet, hatten Forscher der Universität Utrecht Blutproben von 310 Hunden und Katzen aus 196 Haushalten gesammelt, in denen in den vorangegangenen 200 Tagen mindestens eine Person mittels PCR positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden war. Ergebnis: Bei 54 Tieren (17,4 %) wurden spezifische Antikörper gegen SARS-CoV-2 als Bestätigung einer stattgefundenen Auseinandersetzung mit dem beim Menschen gefürchteten Erreger gefunden.
Für eine noch laufende größere Studie, die sich ebenfalls mit der Rolle von Haustieren in der aktuellen Pandemie befasst, sucht das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, das Friedrich-Loeffler-Institut auf der Ostsee-Insel Riems, bundesweit Hunde- und Katzenhalter, in deren Haushalt in den letzten sechs Wochen beziehungsweise letzten drei Monaten mindestens eine Person PCR-nachweislich mit SARS-CoV-2 infiziert war. Interessenten können unter der Telefonnummer 038351 74981 Kontakt aufnehmen. Ihrem Tier passiert dabei bis auf eine kleine kostenlose Blutabnahme bei Ihrem gewohnten Tierarzt nichts und Sie erhalten eine Aufwandsentschädigung von 35 Euro.
Die gute Nachricht
Soweit die bisherigen Erkenntnisse diesen Schluss zulassen, können sich Hunde und Katzen mit dem neuen Erreger also infizieren, aber sie stecken ihn offensichtlich auch problemlos und meist ohne oder mit nur milden, vorübergehenden Symptomen der Atemwege oder auch des Magen-Darm-Traktes weg. Hunde wahrscheinlich noch besser als Katzen. Auch sind bislang weder Katzen noch Hunde und mit einer Ausnahme auch keine anderen Tiere als gesicherte oder plausible SARS-CoV-2-Ansteckungsquelle für Menschen in Erscheinung getreten. Die bislang einzige Ausnahme sind Farmnerze, die im November 2020 unter anderem in Dänemark und in den Niederlanden millionenfach gekeult worden waren, nachdem in den Beständen SARS-CoV-2 infizierte Tiere auffielen. Man geht davon aus, dass sich einige dieser Tiere bei infizierten Farmmitarbeitern angesteckt hatten und anschließend die Infektion im Bestand weiter verbreitet haben. Wie Virusgenanalysen ergaben, hatten die Nerze dann umgekehrt möglicherweise wieder einige Arbeiter und auch einige Hunde und Katzen auf diesen Pelztierfarmen infiziert.
Nerzfarmen sind potenzielle Virenreaktoren
Dabei muss man aber wissen, dass Nerzfarmen ganz spezielle virenfreundliche Biotope sind. Die bewegungsfreudigen, intelligenten Pelztiere, die von Natur aus Wasser liebende strikte Einzelgänger sind, werden in den Farmen unter artwidrigsten Umständen zu Tausenden auf engstem Raum gehalten. Der fehlende Abstand und das durch Stress reduzierte Immunsystem macht es allen möglichen Viren und anderen Krankheitserregern leichter, sich hier zu etablieren und zu verbreiten. Hinzu kommt, dass marderartige Tiere – und zu solchen zählen Nerze ebenso wie Frettchen – bekanntermaßen eine gewisse Schwäche für auch menschliche Atemwegsviren zu haben scheinen. Speziell Frettchen dienen schon lange als Tiermodell zur Erforschung der Influenza und werden diesbezüglich vielleicht auch zu Corona Karriere machen.
Aber selbst unter diesen virenfreundlichen Umständen haben sich die Nerze nur mit SARS-CoV 2 infiziert, sind aber in der Regel nicht ernsthaft daran erkrankt. Gekeult wurden sie aufgrund der berechtigten Sorge, die Farmen könnten dann doch zur Brutstätte neuer SARS-CoV-2 Mutanten werden.
Worst und best case
Warum sich Menschen aller Erkenntnis nach trotz engen Zusammenlebens bislang weder bei infizierten Hunden noch bei infizierten Katzen mit SARS-CoV-2 angesteckt haben, liegt wohl daran, dass sich das Virus in diesen Tieren wesentlich schlechter als im Menschen vermehrt. Die von ihnen oral oder sonst wie ausgeschiedene Virenlast könnte deshalb zu gering für eine infektiöse Dosis sein. Das schließt nicht aus, dass in einem seltenen Einzelfall nicht doch mal was passieren könnte. Nicht völlig ausgeschlossen, aber angesichts der gebremsten Virendynamik in diesen Tieren sehr unwahrscheinlich, ist auch, dass sich in ihnen eine Mutation entwickelt, die dann doch leichter auf den Menschen übertragbar ist. Genauso gut wäre aber vorstellbar, dass die geringe SARS-CoV-2 Virenlast, die Hunde oder Katzen absondern, zwar zu klein ist, um einen konfrontierten, noch nicht immunen Menschen manifest zu infizieren, aber dennoch dessen Immunsystem schon ein bisschen gegen den potenziellen Erreger im Sinne einer stillen Feiung stimuliert. Diese Beförderung von infizierten Hunden oder Katzen zu potenziellen Exekutoren einer „natürlichen Schutzimpfung“ ist allerdings noch hoch spekulativ.
Kein Trennungsgrund
Angesichts des bislang so gut wie ausgeschlossenen Infektionsrisikos vom Tier zum Mensch sehen mit der Thematik befasste wissenschaftliche Stellen wie das Friedrich-Loeffler-Institut keinen Grund, sich aus Angst vor Ansteckung dauerhaft oder vorübergehend von seinen Haustieren zu trennen. Auch unabhängig von Corona sollten aber Hygieneempfehlungen wie regelmäßiges Händewaschen, sich nicht das Gesicht belecken zu lassen und Tieren das Bett zu verwehren, beachtet werden. Ist man selbst infiziert und in Quarantäne, ist auch dass kein Grund, seine Haustiere auszuquartieren. Man sollte sie aber möglichst nicht anhusten oder anniesen. Übernehmen Dritte für einen infizierten Haushalt das Gassigehen des Familienhundes, besteht eine Infektionsgefahr weniger über den Hund als vielmehr beim Kontakt von Mensch zu Mensch beim Abholen des Tieres. Die Übergabe sollte deshalb nicht in sondern außerhalb der Wohnung und unter beidseitigem Maskentragen sowie Abstandswahrung erfolgen. Gut wäre auch eine gesonderte Leine, die nach Desinfektion für die Dauer der Besitzerquarantäne beim Aushilfsherrchen oder -frauchen verbleibt. Eine Impfung gegen SARS-CoV 2 von Hunden oder Katzen wird nicht empfohlen und ist in Deutschland auch nicht zugelassen.
Das Geheimnis der Weißwedelhirsche
Nicht nur Haustiere oder in Gefangenschaft lebende Wildtiere sondern auch zahlreiche frei lebende Tiere, die eher keinen direkten Kontakt zu Menschen haben, können sich offensichtlich mit dem neuen Virus infizieren. Eindrucksvolle Ergebnisse liegen von US-amerikanischen Forschergruppen vor, die das Blut von Weißwedelhirschen, eine in Nordamerika sehr häufige und jagdlich beliebte Hirschart, untersucht haben. Dabei wiesen sie in bis zu 80 Prozent der während der Pandemie gezogenen Proben spezifische Antikörper gegen SARS-CoV-2 nach. Bewerkenswert war, dass sich die positiven Befunde in zum Teil weit voreinander entfernten Gebieten fanden. Dies und Genanalysen isolierten Virenmaterials legen zum einen nahe, dass die Hirsche das Virus, das sie nicht oder nicht nennenswert krank macht, untereinander verbreiten. Zum anderen aber auch, dass das Virus nicht nur einmal sondern häufiger von Menschen in die Hirschpopulation eingebracht worden sein musste. Doch wie? Darüber rätseln die Forscher noch.
Infektionsquelle Waldrastplatz?
Eine nahe liegende Erklärung ist die Eigenschaft vieler Wildtiere, sich nachts auf waldnahen Autorast- oder Müllplätzen herumzutreiben um dort nach Essbarem zu suchen. Pflanzenfresser wie eben Hirsche sind dabei auch immer gierig auf Salziges, weshalb sie ihre Nasen vielleicht besonders gern auch in weggeworfene voll geschnäuzte Taschentücher stecken. Eine offizielle Theorie ist dieses Detail trotz seiner Plausibilität aber noch nicht.
Spannend ist angesichts der hohen SARS-CoV-2-Durchseuchung von Weißwedelhirschen auch, wie diese so schnell vonstatten gehen konnte. Kam das Virus, wie allgemein angenommen, wirklich erst Ende 2019/Anfang 2020 in die USA oder war es in einigen stillen Tierreservoiren vielleicht schon länger da? Diese Frage hatten wohl auch die bereits zitierten amerikanischen Forscher interessiert. In vor 2019 gesammelten Blutproben fanden sich keine Antikörper, aber immerhin in dreien von 2019.
Risiken und Chancen
Die Tatsache, dass SARS-CoV-2 nicht nur Menschen sonder auch unterschiedliche Haus- und Wildtiere befallen und als Reservoire nutzen kann, mag beunruhigend erscheinen. No-/Zero-Covid zu erreichen, wird damit noch unwahrscheinlicher als es schon ohne diese artenübergreifende Eigenschaft des Virus wäre. Auch befürchten manche Experten, SARS-CoV-2 könnte in einem unbekannten Wildtier, das es vom Menschen aus gekapert hat, heimlich vor sich hinmutieren um früher oder später als noch gefährlicheres Virus zurück zu kehren. Aber so ein doppelter Artensprung hin und zurück ist wohl nicht wahrscheinlicher als dass ein bislang exklusives gefährliches Tiervirus den Weg auf uns findet.
In der Infektion von Tieren durch SARS-CoV-2 liegen jedoch nicht nur Risiken sondern auch Chancen. Warum ist es für so gut wie alle bekannten Tiere, die es bislang infiziert hat, scheinbar weniger gefährlich als für den Menschen? Welche Faktoren schützen die Tiere vor einem schweren Krankheitsverlauf und könnten diese Faktoren Ausgangspunkt für neue therapeutische und prophylaktische Maßnahmen beim Menschen sein? Und mindestens genauso wahrscheinlich, als dass eine gefährlichere SARS-CoV-2-Variante aus dem Tierreich zu uns zurückkehrt, könnte es auch eine weniger gefährliche sein. Etwa eine, die zwar hoch infektiös aber weniger krankmachend ist und – wieder im Sinne einer „natürlichen Schutzimpfung“ – pathogeneren Mutanten den Zugang zu uns verbaut. Es gab sogar schon vereinzelte Expertenmeinungen, Omikron könnte ein solcher eher vorteilhafter als bedrohlicher Rückkehrer sein.
Erschienen in der Abendzeitung vom 07. 02. 22
Eine meiner regelmäßigen Joggingrunden führt mich über die abgebildete Würmbrücke nahe der Mündung des Flusses aus dem Starnberger See in die Amper. Seit einigen Wochen verbieten zwei mehrere Tonnen schwere Blöcke das Betreten der Brücke. Lebensgefahr!
Das zuständige Amt oder auch der möglicherweise zuständige private Brückenbesitzer haben ihrer Aufsichtspflicht damit Genüge getan, aber letztendlich alles schlimmer gemacht. Warum?
Ich denke, die meisten, die zu Fuß oder per Fahrrad an dieser Brücke ankommen, passieren sie trotzdem. Weil, wenn die Brücke diese beiden tonnenschweren Panzersperren aushält, wird sie auch zusätzliche maximale 100 Kilogramm Mensch aushalten.
Sollte dann wider Erwarten ein solches relatives Leichtgewicht doch das Zünglein an der Waage sein, welche die Brücke zum Einsturz bringt, kann man doch davon ausgehen, dass das ohne die vielfache Vorbelastung durch die Sperrblöcke nicht passiert wäre.
Falls doch, hätte der Einstürzende wohl bessere Überlebenschancen, wenn ihm zusätzlich zu Brückenteilen nicht auch noch ein oder beide Quader auf den Kopf fallen würden.
Also warum nicht einfach ein übliches Schild am Geländer anbringen mit dem Hinweis, dass das Betreten der Brücke verboten oder auf eigene Gefahr ist. Und die Blöcke, wenn schon, dann vor und nach der Brücke platzieren, so dass sie kein dicker SUV benutzen und eher überlasten kann als jemand zu Fuß.
Ein bisschen erinnert mich dieser Schildbürgerstreich an die nun seit rund zwei Jahren vor sich hin dilettierende Coronapolitik. Da dürfen sich jetzt sowohl die angesprochen fühlen, denen sie zu wenig als auch jene, denen sie zu viel oder das Falsche gemacht hat. Wozu ich tendiere, könnte erahnen, wer meine sonstigen Artikel, Blog- und Twitterbeiträge zum Thema liest.
PS: Ich hoffe, mir lauert jetzt bei meinem nächsten Joggingtrip an der Würm nicht die Polizei auf, um mich auf frischer Wiederholungstat zu ertappen. Auch meine Haftpflichtversicherung möge sich nicht auf diesen dann erfundenen Beitrag berufen und die Leistung verweigern, wenn ich die Brücke jenseits aller Wahrscheinlichkeiten dennoch mal beim versehentlichen Überqueren zum Einsturz brächte.

Nachtrag 07.02.22
Als Journalist hofft man ja immer, mit seinen Texten auch mal was zu bewegen. Hier scheint es tatsächlich geklappt zu haben. Doch so ganz ohne Schild ist der Bürgerstreich immer noch nicht. Erstens ist jetzt auch schweren Autos die verbotene Überfahrt nicht mehr physisch verwehrt. Und wenn sie angesicht der an der Amper mündenden Sackgasse von der dominanten Seite kommen, also hier aus Richtung des gelben Radwegweisers, erfahren sie nicht einmal mehr, dass sie nicht über die Brücke sollen. Dazu hätte man den einen umgestellten Quader um 90 oder 180 Grad drehen müssen. So wie jetzt, versteckt sich die Schrift in Richtung Geländer.


Da glaube ich, gerade erst Badehose und Sonnenschirm weggepackt zu haben. Und schon werde ich von Weihnachten überrascht. Für rechtzeitige Weihnachtsgrüße ist es schon fast wieder zu spät. Aber für Wünsche zu einem guten neuen Jahr bin ich noch top in der Zeit. Und einer meiner Wünsche ist, dass Omikron entgegen den Unkenrufen von Karl Lauterbach und seiner US-amerikanischen Panik-Quelle Eric Feigl-Ding nicht ein weiteres Problem sondern ein Teil der Lösung wird. Wie in meinem Artikel „Killerviren bleiben evolutionstheoretisch auf der Strecke“ dargelegt, neigen pandemische Viren dazu, in Richtung infektiöser aber milder zu evolvieren. Sie gewähren damit bei abnehmendem Risiko eine natürliche Immunisierung, die breiter und anhaltender sein könnte als es gegenwärtige Impfstoffe, die nur wenige Virusantigene fokussiert, vermögen. Möglich, dass Omikron ein entscheidener Schritt in diese Richtung ist, von dem Ungeimpfte und Geimpfte hoffentlich gleichermaßen profitieren. Zu hoffen bleibt auch, dass Politiker und Wissenschaftler einen solchen Schritt gegebenenfalls erkennen anstatt ihn zu boykottieren.
In diesem Sinne: Besinnliche Feiertage und ein gutes Neues Jahr

Immer wenn ich mir eine Antwort vom RKI zu Coronafragen wünsche, plane ich die Enttäuschung schon mit ein. Denn Frau Glasmacher antwortet zwar meist erstaunlich schnell. Nur hat die Antwort oft wenig mit der Frage zu tun. Oder das RKI fühlt sich nicht zuständig; meint zumindest Frau Glasmacher. Zwei ältere Beispiele finden sich hier oder dort.
Meine aktuelle Anfrage lautete wie folgt:
Von: Werner Stingl <redwesti@aol.com>
Gesendet: Dienstag, 27. Juli 2021 15:55
An: RKI-Pressestelle <Presse@rki.de>
Betreff: Anfrage Coronavirus-Evolution
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit der Bitte um Beantwortung der folgenden 4 Fragen. Danke:
1.) Könnte die breite Testung asymptomatischer Menschen auf das neue Coronavirus und die konsekutive Quarantänepflicht symptomlos Positiver milden Mutanten den selektiven Vorteil entziehen und damit eine wünschenswerte (übliche)Virusevolution in Richtung „mild(er)“ signifikant verlangsamen oder gar verhindern?
2.) Wenn Sie dazu keine Aussage machen können – hat man über ein solches Problem im RKI zumindest nachgedacht?
3.) Wenn nein, warum nicht?
4.) Wenn ja, mit welchem Resultat?
Mit freundlichen Grüßen
Werner Stingl
Die Antwort kam bereits nach gut zehn Minuten. Lieber hätte ich allerdings eine Woche drauf gewartet und dafür das Gefühl gehabt, jemand habe über die Fragen nachgedacht. Hier jetzt O-Ton-Glasmacher:
Sehr geehrter Herr Stingl,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich sehe nicht, wie Tests die Evolution des Virus beeinflussen könnten. Ggf. kann die Gesellschaft für Virologie weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Susanne Glasmacher
Pressesprecherin
Robert Koch-Institut
Nordufer 20
13353 Berlin
Die Antwort von Frau Glasmacher bürgt jetzt nicht gerade für großen Sachverstand. Den muss eine Pressesprecherin ja auch nicht unbedingt zu jeder ihr Institut tangierenden Angelegenheit haben. Aber sie sollte vielleicht wissen, wer an ihrem Institut diesen Sachverstand haben könnte und die Frage an die entsprechende Stelle weiterleiten. Vielleicht habe ich meine Frage aber auch zu missverständlich gestellt und Frau Glasmacher damit über- oder unterfordert, was ja oft zu einer gleichen Konsequenz führt. Jedenfalls habe ich mich geärgert und das der Dame mit folgenden Worten mitgeteilt:
Liebe Frau Glasmacher,
angesichts der Erfahrung, dass nichts sagende Antworten auf ernsthafte Fragen aus Ihrem Haus eher Regel denn Ausnahme sind, frage ich mich, ob Sie Anfragen an kompetente Stellen weiterreichen oder ob Sie die Antworten einfach aus unbedarften Ärmeln schütteln.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Stingl
Ein Kollege, dem ich diesen E-Mail-Wechsel CC schickte, teilte meinen Verdacht des unbedarften Ärmels, gab aber auch zu bedenken, dass ich im RKI wohl schon längst einen Spinner-Stempel trage. Ob das jetzt eher Kritik an mir oder am RKI war, darüber grüble ich noch nach.
Für alle, die wie Frau Glasmacher nicht so recht was mit meinen vier Fragen anzufangen wissen, sei zur trivialen Hintergrundvermittlung auf diesen meinen nicht mehr ganz aktuellen Text aus der Abendzeitung vom 20. April 2020 verwiesen.

Wohl als Konsequenz der Corona-Schutzmaßnahmen, ist in diesem Winter die Zahl der Grippe- und Erkältungspatienten auf ein historisches Tief gesunken. Was man daraus folgern kann – und was nicht.
1992 wurde von vier pharmazeutischen Unternehmen und dem Deutschen Grünen Kreuz die Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) gegründet. Seit 2009 leitet das Robert-Koch-Institut alleinverantwortlich diese Einrichtung der nationalen Grippeüberwachung.
533 versus über 180.000 laborbestätigte Grippefälle
Seitdem die AGI ab 1992 die Grippehäufigkeit systematisch erfasste, hat es in Deutschland – wie auch in vielen anderen Ländern der Nordhalbkugel – noch nie annähernd so wenige Patienten mit „echter“ Grippe gegeben wie im Winterhalbjahr 20/21. Gerade mal 533 laborbestätigte Influenzafälle hat die AGI bis 23. April 2021 dokumentiert. Zwar dauert die Anfang Oktober beginnende Grippesaison offiziell noch bis Mitte Mai, doch viel mehr werden es aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr werden. Zum Vergleich: Für die beiden vorangegangenen Grippesaisonen wurden je über 180.000 labormedizinisch bestätigte Influenzafälle gemeldet und in der außergewöhnlichen Grippewelle der Saison 2017/18 über 330.000. Zwar ist sowohl für dieses Jahr als auch für die Vorjahre von einer erheblichen Dunkelziffer auszugehen, doch die Relationen dürften in etwa gleich bleiben.
Auch die Zahlen der mit einer laborbestätigten Grippe assoziierten Todesfälle spiegeln die diesmal praktisch ausgebliebene Grippewelle wider. Während RKI-Angaben zufolge in dieser Saison bislang (Stand 23. April) lediglich 13 Menschen infolge einer laborbestätigten Influenza gestorben sind, waren es in den Vorjahren fast immer mehrere Hundert und während der schweren Grippewelle 2017/18 immerhin rund 1.700.
Um Irritationen vorzubeugen: die immer wieder zu lesende durchaus plausible Zahl von tatsächlich 25.000 Grippetoten während der schweren Grippesaison 2017/18 beruht auf der erfassten Übersterblichkeit in dieser Zeit und damit auf einer anderen Erhebungsgrundlage, die der hohen Dunkelziffer Rechnung tragen will.
Auch banale Atemwegsinfekte im Tief
Doch nicht nur die manchmal selbst bei jüngeren Menschen schwer verlaufende echte Grippe (Influenza) sondern auch banale virale Atemwegsinfekte mit Schnupfen, Husten und/oder Heiserkeit bewegten sich in der diesjährigen Erkältungssaison auf niedrigstem Niveau, wie die ebenfalls von der AGI am RKI erstellte wöchentliche ARE-Statistik für Deutschland zeigt. ARE steht für „Akute Respiratorische (= die Atemwege betreffende) Erkrankungen“. In dieser Statistik werden neben Infektionen mit Influenza-Viren und dem neuen Coronavirus auch die wesentlich harmloseren aber viel häufigeren Atemwegsinfekte durch übliche Erkältungsviren erfasst. Hochrechnungsgrundlage sind die regelmäßigen Erkältungssymptom-Mitteilungen von mehreren tausend Menschen, die sich als „ständige Stichprobe“ für das GrippeWeb der AGI registriert haben sowie Meldungen von mehreren hundert niedergelassenen so genannten Sentinel (Wächter)-Arztpraxen.
Obwohl die ARE-Statistik Zuwachs durch Infektionen mit dem neuen Coronavirus, die überwiegend eben auch als akute Atemwegsinfektionen gezählt werden, bekam, lag der Kurvenverlauf der Aktivität aller akuten Atemwegsinfektionen in der Erkältungssaison 2020/21 stets -und streckenweise sehr weit – unter dem der Vorjahre (https://influenza.rki.de/Wochenberichte/2020_2021/2021-16.pdf).
Einbruch bei Erkältungsmitteln
Wenig überraschend, untermauert ein Absatzeinbruch bei Erkältungsmitteln den Rückgang von Erkältungen. Wie die Tagesschau am 8. März 2021 in einem Onlinebericht mitteilte, mussten die deutschen Apotheken für die ersten drei Quartale des Jahres 2020 gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres bei Erkältungsmitteln einen Schwund um 13 Prozent hinnehmen. Der Höhepunkt des Schwundes war aber in den ersten drei Quartalen 2020 noch gar nicht erreicht, wie etwa eine eigene Statistik des Dachauer Apothekers Dr. Thomas Bayer nahe legt. Bayer hatte die Haupterkältungsmonate November, Dezember, Januar und Februar fokussierte. Im Vergleich zu dieser Periode der Vorsaison erlebte Bayer in der aktuellen Saison bei den vier am häufigsten nachgefragten Erkältungsmitteln ein Absatzminus von 77 Prozent. Um falschen Schlüssen vorzubeugen: Aus Sorge vor Engpässen gehamstert wurde erst ab März 2020, weshalb bis Februar 2020 von einer davon noch unbeeinflussten Nachfrage auszugehen ist. Dagegen könnten in der offiziellen landesweiten Apothekenstatistik Hamstereffekt durchaus dazu geführt haben, dass der Einbruch 2020 gegenüber 2019 weniger dramatisch war als es die gesunkene Erkältungshäufigkeit erwarten ließ.
Die Gründe
In der Hauptantwort auf die Frage nach den Gründen für den deutlichen Rückgang aller viralen Atemwegsinfektionen einschließlich Grippe in Corona-Zeiten herrscht in Medizin- und Wissenschaftskreisen weitgehend Einigkeit. Offensichtlich schützen die zur Abwehr einer Infektion mit dem neuen Coronavirus Sars-CoV-2 eingeleiteten Maßnahmen wie insbesondere Aussetzen von Großveranstaltungen, Homeoffice, sonstige Kontaktbeschränkungen, Abstand, Handhygiene und Masken auch vor anderen Atemwegsviren. Das ist durchaus plausibel, zumal sämtliche Atemwegsviren einschließlich Sars-CoV-2 und Influenza den gleichen Infektionswegen folgen.
Nachrangig kommen noch weitere Erklärungen infrage. So ist denkbar, dass so mancher Erkältete aus Angst, sich in Arztpraxis oder Apotheke noch zusätzlich eine Corona-Infektion einzufangen, diese Orte gemieden hat und deshalb der Statistik verborgen geblieben ist. Auch mag der eine oder die andere eine Erkältung versteckt haben, um einem sonst möglicherweise geforderten Coronatest mit eventuell folgender Quarantänepflicht auszuweichen.
Speziell was die Grippe-Reduktion betrifft, könnte die aus Sorge vor einer Influenza-Corona-Doppelinfektion vorangetriebene etwas stärkere Inanspruchnahme der Grippeschutzimpfung einen Betrag geleistet haben. Das nahezu komplette Ausbleiben der Grippe lässt sich damit aber nicht annähernd erklären.
Fraglicher Umkehrschluss
Wenn nun tatsächlich das Ausbleiben der Grippewelle und der ebenfalls eindrucksvolle Rückgang gewöhnlicher Erkältungskrankheiten höchstwahrscheinlich vor allem den Corona-Schutzmaßnahmen zu verdanken sind, ist das doch wohl tatsächlich ein überzeugender Beleg für die Wirksamkeit zumindest einiger dieser Maßnahmen gegen jegliche Ansteckung mit Atemwegsviren. Könnte man somit im Umkehrschluss folgern, dass ohne die neu etablierten Schutzmaßnahmen nicht nur Grippe- und Erkältungskrankheiten auf gewohntem Niveau stattgefunden hätten sondern mit einem entsprechenden Steigerungsfaktor auch ein Mehr an Coronainfektionen und –opfern hinzunehmen gewesen wäre? Der Schluss scheint plausibel, ist aber dennoch nicht zwingend. Denn womöglich hat gerade der Wegfall der sonst häufigeren Grippe sowie der banalen Erkältungskrankheiten, die nahezu jeden Menschen üblicherweise ein bis mehrmals im Jahr ereilen, dem neuen Coronavirus so manche Infektion sogar erleichtert. Wie das?
Um den hier notwendigen virenökologischen Gedankengang leichter verstehen und akzeptieren zu können, erlauben Sie bitte einen kleinen Rückblick auf ein Ereignis, das als Paradebeispiel für die fatalen Konsequenzen ökologischer Ignoranz in die Geschichte eingegangen ist.
Maos Spatzenkrieg
1958 ordnete der große chinesische Revolutionär und Staatslenker Mao Zedong im Zuge der Kampagne „Ausrottung der vier Plagen“ an, neben Fliegen, Stechmücken und Ratten auch möglichst alle Spatzen des Landes auszumerzen. Denn, so der ökologisch unbedarfte Diktator, die abermillionen Vögel fräßen jedes Jahr viele Tonnen von Getreide und schmälerten damit die Nahrungsmittelversorgung der chinesischen Menschen. Unter Einsatz der gesamten Bevölkerung wurden Spatzen flächendeckend bis zum Erschöpfungstod in die Luft gescheucht, erschlagen, mit Leimruten und Fallen gefangen, mit Steinschleudern abgeschossen sowie ihre Nester zerstört. In den ersten drei Tagen der Aktion soll laut eines Spiegel Online-Berichts vom 16. März 2020 400.000 Spatzen der Garaus gemacht worden sein, in der Folgezeit insgesamt bis zu zwei Milliarden. Dieser „Erfolg“ führte jedoch keineswegs zu größeren Ernten, sondern zur berüchtigten dreijährigen Hungersnot, der vorsichtigen Schätzungen zufolge von 1959 bis 1961 25 Millionen Chinesen erlegen sind. Befreit von ihren gefiederten Verfolgern, hatten sich Wanderheuschrecken explosionsartig vermehrt. Und die begnügten sich nicht wie die fleißig auch Insekten verzehrenden Vögel mit einem vergleichsweise kleinen Obolus an der Getreideernte, sondern sie fraßen vom Keimling bis zur Frucht nahezu sämtliche Pflanzen, mit denen sich Menschen und Nutztiere ernährten.
Maos Spatzenkrieg und seine Folge zeigen auf eindrucksvolle Weise, wie die unüberlegte Wegnahme eines scheinbaren Übels ein weit schlimmeres nach sich ziehen kann. Agieren wir im Kampf gegen Viren im Allgemeinen und gegen das neue Coronavirus im Speziellen ein bisschen wie Maos Spatzenkrieger?
Verlust an Kreuzimmunität …
Etwa 15 Prozent aller gewöhnlichen Erkältungskrankheiten werden bei uns durch vier Coronavirus-Arten hervorgerufen, die schon lange in der Bevölkerung zirkulieren und die für Menschen wesentlich harmloser sind als das neue Coronavirus. Dabei unterstützen aktuelle Studienergebnisse, zuletzt etwa die einer Arbeitsgruppe der Universität Münster, Vorstellungen, wonach Infektionen mit diesen harmlosen Coronaviren im Sinne einer Kreuzimmunität einen gewissen Schutz vor zumindest einer schwer verlaufenden Infektion mit dem neuen Coronavirus bieten. Immunologischen Gesetzmäßigkeiten folgend, dürfte dieser Schutz umso ausgeprägter sein, je weniger weit die potenziell kreuzimmunisierenden Infektionen zurück liegen und je öfter sie einen Menschen bereits ereilt haben. Ein markanter Rückgang von Bagatellinfektionen mit alten Coronaviren im Verlauf des letzten Jahres könnte also dazu geführt haben, dass die noch ungeimpfte Bevölkerung für das neue Coronavirus inzwischen sogar anfälliger geworden ist als sie es zu Beginn der Pandemie war.
Und sie könnte weiter umso anfälliger werden, je stärker und länger man die vergleichsweise harmlosen kreuzimmunisierenden alten Coronaviren unterdrückt.
… und unspezifischem Schutz
Versuchen verschiedene Virusarten einen Körper als Brutmaschine zu entern, tun sie das oft weniger als Allianz denn vielmehr in Konkurrenz zueinander. Besonders wenn sie als Ziel gleiche Zelltypen anvisieren, erschweren unspezifische Abwehrmechanismen, die der Körper bereits gegen die einen Viren aktiviert hat, das erfolgreiche Eindringen der anderen. Ein bekannter solcher Abwehrmechanismus ist die verstärkte Freisetzung antiviraler Interferone im Verlauf einer akuten Infektion und für noch kurze Zeit danach.
In den Atemwegen konkurrieren harmlose Erkältungsviren, Grippeviren und auch das neue Coronavirus um die gleichen Zielzellen. Da unterschiedliche Bagatell-Atemwegsviren insgesamt um ein Vielfaches verbreiteter sind als Influenza- oder neue Coronaviren, stehen die Chancen gut, dass erstere schon in den Atemwegen gelandet sind bevor ihre für uns gefährlicheren Konkurrenten ihren Angriffsversuch starten und der genau deshalb scheitert oder zumindest schwächer ausfällt.
Rostet was rastet?
Dass es sich dabei nicht nur um graue Theorie handelt, wurde in den letzten Jahren zumindest für die Grippe bereits in klinischen Studien mit größeren Patientenkollektiven nachgewiesen. Menschen, die akut an einem von Rhinoviren ausgelösten Schnupfen litten oder einen solchen kürzlich überstanden hatten, erkrankten deutlich seltener als Menschen ohne eine entsprechende harmlose Vorgeschichte an einer Grippe. Dass Schnupfenviren nach dem gleichen Prinzip auch gegen Infektionen mit dem neuen Corona-Virus schützen könnten, liegt nahe, wurde bisher aber nur in Zellkulturexperimenten bestätigt. Erste Befunde, ob und inwieweit sich auch Influenzaviren und das neue Corona-Virus wechselseitig behindern, sind noch unzureichend und widersprüchlich.
Nicht ganz korrekt aber einfacher, könnte man das im Vorangegangenen kritisch Erörterte auch so betrachten: Offensichtlich braucht ein Immunsystem auch zur Virenabwehr Training und es ist durchaus plausibel, dass es an Schlagkraft verliert, wenn wir es zu stark und zu lang von koevolutionär bewährten Sparringspartnern abschirmen. Daran sollten vor allem auch jene denken, die damit liebäugeln, Teile der Corona-Schutzmaßnahmen als neue Mittel der generellen Atemwegsinfektprävention selbst dann noch fortzuführen, wenn die aktuelle Coronakrise bereits überwunden ist.
(C) Erschienen in der Abendzeitung vom 17. Mai 2021

12.06.2021: ABSR 236.144
Auf meinem Balkon hängt, wie im Bild zu sehen, seit Jahren ein billig auf einem Flohmarkt erstandener Wellensittichbrutkasten. Der wird eigentlich jedes Jahr von irgend einer heimischen Tierart zur Aufzucht der eigenen Brut genützt. Im Kasten brüteten bereits verschiedene Meisenarten, auf dem Kasten immer wieder mal Amseln.
Letztes und vorletztes Jahr hatte jeweils eine Hornissenkönigin beschlossen, im Sittichkasten ihren Staat zu gründen. Die von 2019 scheiterte aber vor dem Flüggewerden der ersten Brut an einem Buntspecht. Der hatte offensichtlich genau den Zeitpunkt abgewartet, an dem die Hornissenlarven und -puppen bereits schön fett sind, aber noch nicht ihren wehrhaften Stachel nutzen konnten. Schade.
Die Hornissenkönigin vom letzten Jahr hatte zunächst mehr Glück. Sie schaffte zumindest zwei Generationen flügge Brut und ich hatte schon Sorge, dass, würden wir im Sommer in den Urlaub fahren, die Balkonhornissenpopulation unkontrolliert explodiert und die Nachbarn die Feuerwehr holen. Coronabedingte Urlaubssperren erübrigten dann zumindest eine unkontrollierte Explosion der Population. Aber irgendwann im Hochsommer wurden die Hornissen immer weniger statt mehr und nach ein paar Tagen flog gar keine mehr. Kann mir vorstellen, dass eine Hornisse auf einem Beutezug mit einem Kontaktinsektizid in Berührung kam und damit den ganzen Stock kontaminiert hat. Oder vielleicht wurden sie einfach Opfer einer tödlichen entomologischen Infektion. Dabei reicht ja bei staatenbildenden Insekten der Tod der Königin, um innerhalb weniger Tage bis Wochen das gesamte Volk auszurotten.
Heuer hat sich eine Hummel einer eher mittelgroßen Art am Sittichkasten versucht und bislang ist sie erfolgreich. Der Nachwuchs wird immer mehr und es macht Spaß, bei einem guten Glas Rotwein in warmer Spätnachmittagsstimmung den zahlreicher werdenden Hummeln beim An- und Abflug zuzusehen.
Als evolutionsbiologisch interessierten Menschen drängt sich mir dabei allerdings die Frage auf: Wie haben es Hummeln geschafft, nicht schon vor Millionen von Jahren dem Selektionsdruck zu erliegen und auszusterben. Denn wenn man ihre Flugkünste mit etwa denen von Wespen oder Schwebfliegen vergleicht, sind Hummeln Traktoren unter Porsches. Dabei fliegen sie nicht nur langsamer und weniger zackig, sondern auch ausgesprochen tollpatschig. Während es etwa meine ebenfalls fast kleinhummelgroßen Roten Mauerbienen mühelos und zielsicher schaffen, durch einen engmaschigen Spechtschutzhasendraht hindurch ihre nur etwa 8 mm durchmessenden Brutröhren anzufliegen, scheitern meine Hummeln bereits an einem Einflugloch, durch das bestimmungsgemäß ein Wellensittich oder unbestimmungsgemäß ein Eichhörnchen passt. Immer wieder knallt eine erstmal an den Rand des Lochs, bevor es dann beim zweiten oder dritten Versuch klappt.
Weil ich diese Ungeschicklichkeit schon lange kannte und die Engländer Hummeln „humblebees“ nennen, hab ich eigentlich immer gedacht, humble sei mit torkeln oder so ähnlich zu übersetzen. Aber weit gefehlt. „Humble“ als Adjektiv heißt auf Englisch demütig, bescheiden, niedrig oder gering. Als Verb steht es für erniedrigen oder demütigen. Eigenschaften und Tätigkeiten, an die ich bislang im Zusammenhang mit einer Hummel noch nie gedacht habe.

Fällt eine Maus im Winter ins Wasser und gerät dabei unter eine geschlossene Eisdecke ohne rasch wieder heraus zu finden, ist die Konsequenz in wenigen Minuten überstanden. Qualvoll dürfte die Angelegenheit dennoch sein. Um das nachzuempfinden, muss man keine Nahertrinkenserfahrung haben oder in eine Waterboarding-Folter der US-Army geraten sein. Es genügt schon der Versuch, einfach nur mal die Luft bis zum Ende dieses Textes anzuhalten.
Während die meisten Landwarmblütler unter Wasser zwar schrecklich aber immerhin vergleichsweise schnell ertrinken, dauert umgekehrt das Ersticken von Fischen an Land ungleich länger. Sind sie groß genug, um nicht in wenigen Minuten zu einer kleinen Mumie zu vertrocknen, erstreckt sich der luftige Tod schon mal über mehrere Stunden. Ob sie dabei die ganze Zeit gleiche Qualen erleiden wie etwa eine Maus beim Ertrinken oder ob zumindest Quallevel mal Qualzeit ein ähnliches Produkt ergeben, hat wahrscheinlich noch niemand so recht untersucht. Man will es wohl auch gar nicht so genau wissen. Und da Fische selbst unter Qualen stumm bleiben, über keinen Dackelblick und auch sonst keine schmerzhaft verzerrbare Gesichtsmimik verfügen, machen sie es den Menschen nicht allzu schwer, ihr Leid zu ignorieren
Immerhin. Ein Sportfischer, der einen mit der Angel gefangenen Karpfen – statt ihm petriheilig den Kopf einzuschlagen – einfach im Gras liegen ließe bis der von selbst stirbt oder ihn erst zu Hause lebendfrisch durch einen ausnehmenden Bauchschnitt erlöst, würde bei Bekanntwerden eines solchen tierschutzrechtlichen Vergehens den Angelschein für vielleicht immer plus auch noch ein paar hundert Euro Bußgeld verlieren. Zumindest als Wiederholungstäter.
Beute aus dem kommerziellen Fischfang darf man dagegen bis zum bitteren Ende einfach liegen lassen. Wo kämen wir da hin, wenn Käptn Iglo und seine Mannschaft jedem der zigtausend aus dem riesigen Schleppnetz geplatschten Meerestiere persönlich das Leben aus dem Leib prügeln oder stechen müssten. Da ist vielmehr Klöckner’scher Ringelschwänzchenpragmatismus gefragt. Fische, die nicht schon im Schleppnetz wie beigefangene Meeressäuger und Pinguine unter Wasser erstickt sind, müssen das an Deck tun. Und das kann, umgeben von den feuchten Leibern der Leidensgenossen, länger dauern als es braucht, um einen solchen Fisch später in der heimischen Küche zu putzen, zu garen und auch noch zu essen. Daran denken die meisten beim Fischmahl wahrscheinlich nicht mal dann, wenn ihnen als Poseidons Rache unversehens eine Gräte Atem raubend im Hals stecken bliebe.